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Sexueller Missbrauch, Übergriff und sexualisierte Gewalt hinterlässt Spuren auf der Seele

Säuglinge und Kleinkinder sind lebensnotwendig auf Körperkontakt sowie Zärtlichkeit, Umarmungen angewiesen.

Experten sind sich einig, dass wir als Kinder eine Anbindung brauchen, um unsere Persönlichkeit zu entwickeln, unser Ich aufzubauen und sich als denkendes und fühlendes Wesen zu erleben. Was kann ich tun, wenn ich das nicht erlebt habe und mir diese Bindung fehlt, etwa durch Trennung der Eltern, Missbrauch, Gewalt oder andere Traumata?

Die Grenze zum missbräuchlichen Körperkontakt zu erkennen, ist nicht immer leicht. Diese liegt da, wo die zu befriedigenden Bedürfnisse die des Erwachsenen und nicht des Kindes sind. Tätern erfassen die Schutzbedürftigkeit intuitiv und nutzen sie aus.

Jedes vierte Mädchen (25 %) und jeder zehnte Junge (11 %) bis 16 Jahre ist von sexueller Gewalt betroffen. Es ist davon auszugehen, dass bis zu zwei Schüler*innen in jeder Schulklasse davon betroffen sind.

Sexueller Missbrauch umfasst jeden sexuellen Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit Erwachsenen. Dazu zählen die folgenden Ausprägungen:

  • pädosexuelle Gelegenheitshandlungen,

  • lang dauernde inzestuöse Beziehungen,

  • gewaltlose Verführungen,

  • gewaltsame sexuelle Attacken gegen Kinder,

  • exhibitionistische Handlungen vor Kindern.

“Meine seelischen Wunden

konnte man nicht sehen,

ich fühlte mich innerlich zerbrochen,

meine Gefühle nahm ich mehr abgetrennt wahr.

​Ich funktionierte und blieb äußerlich stark,

aber lebte nicht wirklich.“

Eine Elfjährige wurde vom betrunkenen Vater im Badezimmer massiv sexuell belästigt. Sie war starr vor Angst und konnte nicht schreien. Nach diesem Ereignis quälte sie sich durch alle Lebenssituationen. Die Schule fiel ihr immer schwerer. Die Ausbildung schaffte sie nur mit viel Kraft. Als Heranwachsende war die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Nähe groß, gleichzeitig hatte sie aber Angst davor. Als Jugendliche begann sie schließlich, Alkohol zu trinken, und spürte sofort die erleichternde Wirkung. Deshalb trank sie immer häufiger. Eine sich rasch entwickelnde Suchtkrankheit war die Folge.
 

„Das alles spielt sich im ganz alltäglichen Gefängnis, meinem elterlichen „Zuhause“ – meinem eigenen Kinderzimmer ab. Später wurde mir durch die Therapie klar, dass „Zuhause“ ein innerer Ort ist, den man in sich trägt, der niemals geschändet werden kann, selbst wenn die ganze Welt auf den Kopf gestellt wird.“

Der Zwang zur Geheimhaltung

  • Als ich Mama erzählte, was Papa mit mir gemacht hatte, sagte sie nur: Das musst du jetzt schnell vergessen.

  • Was mein Bruder mit mir gemacht hatte, wollte mir in der Familie niemand glauben. Von da an log ich, dass sich die Balken bogen.

  • Als ich erzählte, was der Freund meines Vaters mit mir gemacht hatte, ich war etwa fünf Jahre alt, schlug mich mein Vater. Von da an wurde ich von vielen Menschen missbraucht.

  • Meine Mutter hat mich als Lügnerin beschimpft und Tage bzw. Wochen nicht mit mir gesprochen.

  • Ich glaubte ganz fest, was sich zwischen uns abspielte, sei meine Schuld.

„Es begann eine Phase der eigenen Demütigung, ich verlor jedes Selbstwertgefühl.“


Der Vertrauensbruch sowie der strikte Befehl absoluten Stillschweigens unter Androhung von schlimmen Strafen scheinen die wesentlichen Ursachen für die verheerenden Folgen der sexuellen Ausbeutung zu sein.
 

Sexueller Missbrauch als Ausdruck einer Krankheit der ganzen Familie
 

Direkt oder indirekt sind mehrere Familienmitglieder beteiligt, und dadurch findet eine Vererbung im Familiensystem statt. Ohne Aufarbeitung wird dies der nächsten Generation aufgebürdet. Betroffene missbrauchen später sich selbst und Andere seelisch, mental, psychisch, emotional oder körperlich. Nicht selten beuten auch sie wiederum ihre Kinder aus oder können sie vor sexuellem Missbrauch nicht schützen.

Wer mit seiner Mutter oder seinem Vater in einer leidvollen, durch Trauma-Erfahrungen gestörten Bindung verstrickt ist, verstrickt sich in seinem weiteren Leben in Paar-, Freundschafts-, Arbeits- oder Eltern-Kind-Beziehungen auf ähnliche Weise.

Um eine Krise zu meistern, ist es nötig diese zuerst als eine solche anzuerkennen. Gerade bei Schicksalsschlägen ist es menschlich, mit seiner Situation zu hadern und sich zu fragen: „Warum ich?“

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Schmerz, der Hilflosigkeit, Angst, Wut und Ekel ist wichtig im Prozess des „Wieder-Ich-Werdens“.

Gerne begleiten wir Sie auf Ihrem Weg.


Blaming the Victim - Opferbeschuldigung


„Der Panzer, den ich mir im Laufe der Jahre aufgebaut habe, versteckte meine Komplexe wie geringes Selbstwertgefühl, Selbsthass und Schuldgefühle vor Anderen. Wenn ich heulte, bekam ich manchmal einen Klaps, damit ich wusste, warum.“

Als Überlebensstrategie dissoziieren Kinder, Jugendliche wie auch Erwachsene, d.h. sie trennen sich von der Realität und schalten ihre Gefühle ab, da das Erlebte so traumatisch und furchtbar war, dass es gefühlsmäßig nicht verarbeitet werden konnte. Sie verlassen bildlich ihren Körper und verspüren nicht länger Angst, Panik und Schmerz. Andere Betroffene können sich an die Missbrauchserfahrung erinnern, leugnen aber deren Bedeutung und Tragweite. Sie möchten ihre Scham, Angst, Wut, Hilflosigkeit, Panik, Verzweiflung, ihren Ekel und ihr eigenes Mitgefühl nicht fühlen müssen.

In einer wissenschaftlichen Arbeit wurde aufgezeigt, dass häufig geschlagene und emotional vernachlässigte Kinder, die in einem konfliktbeladenen Umfeld aufwachsen, ein 4-fach erhöhtes Missbrauchsrisiko haben. Wenn wir nicht satt an elterlicher Liebe sind, können wir an eine falsche Person geraten, deren Zuwendung wir suchen.

Es kommt leider nicht selten vor, dass Väter oder Mütter ihre Kinder für eigene Schwierigkeiten oder Beziehungsprobleme verantwortlich machen. In selteneren Fällen hassen die Eltern ihre Kinder sogar.

Als Erwachsene haben sie häufig große Sehnsucht nach Partnerschaft und Zuneigung und signalisieren dies auch durch ihre Kleidung und ihr Verhalten, doch sie empfinden nicht selten gleichzeitig panische Angst vor Körperkontakt, emotionaler Nähe und Sexualität.
 
Die Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs sind individuell unterschiedlich:

  • Suchtkrankheiten wie Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit,

  • selbstverletzendes Verhalten (u.a. Borderline),

  • Ess-Brechsucht (Bulimie) oder Magersucht (Anorexie),

  • exzessives Essverhalten oder auch Esssucht (binge-eating),

  • Depression,

  • Identitätsprobleme,

  • unerfüllte Sexualität,

  • suchtartige Störungen wie Fernseh- oder Arbeitssucht (workaholic),

  • Waschzwang,

  • psychosomatische Beschwerden, mit körperlichen und psychischen Merkmalen

  • Glücksspielsucht und Computerspielstörung.

Wie kann ein Trauma entstehen und was unterscheidet dieses von einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)?

Der Begriff Trauma bedeutet ursprünglich eine Wunde oder Verletzung.


Diese seelische Wunde entsteht, wenn bei einer Bedrohung eine notwendige Bewegung nicht möglich war, meist in der frühen Kindheit. Beispielsweise, indem eine schützende Hinwendung zu einem Menschen oder eine körperliche Bewegung zur Selbstbehauptung oder Flucht ausblieb. Der Impuls bleibt im Körper oft als innerer Schmerz gespeichert.

Bei
Erinnerungen, die sich gegen unseren Willen einstellen, bleiben wir meist nicht passiv, sondern versuchen, sie mit innerem Widerstand bis hin zu einem inneren Kampf aus unserem Kopf zu vertreiben. Da diese so schrecklich wirken, möchten wir nicht, dass sie erneut an die Oberfläche kommen. Dies verbraucht Lebens-Energie.

Es ist uns nicht möglich, ein Trauma willentlich zu vergessen, da dem Gedächtnis nur etwas hinzufügt, niemals etwas weggenommen werden kann.

Traumasymptome und -folgestörungen und akute Belastungsreaktionen können auch bei psychisch ansonsten stabilen und gesunden Menschen nach einer außergewöhnlichen seelischen Belastung auftreten. Das Trauma kann als Erleben einer bedrohlichen Situation definiert werden, das mit Gefühlen von Hilf- und Schutzlosigkeit einhergeht.

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann in jeder Lebenslage und in jedem Alter entstehen, wenn das eigene Leben oder das Leben anderer intensiv bedroht war, verbunden mit Schrecken und Hilflosigkeit. Dazu gehören auch über lange Zeit anhaltende Angst, Gewalterfahrung, Kontrollverlust oder Scham.

Trauma-Fragmente können später durch sog. „Trigger“ zu Störungen in der Gegenwart führen. Die Folgen sind häufig lebensbestimmend.

Manchmal kommen die Täter vor Gericht, werden verurteilt, vielleicht rehabilitiert und therapiert. Die Opfer/Geschädigten bleiben oft allein zurück; missbraucht, vergewaltigt, geschändet und ohne Ausgleich.

„Zuerst wollte ich vergessen, vergessen dass er existiert und was er mir angetan hat. Ich dachte, es würde eine Befreiung für mich, wenn er bestraft wird. Dann lernte ich, dies zu akzeptieren und anzunehmen.“

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